Wie bringe ich das alles unter einen Hut?

Papas Angst vor der Bedeutungslosigkeit

Österreichs Gastronomie und Hotellerie stehen vor einer Übergabewelle. Was bewegt Übergeber, wenn sie ihr Lebenswerk der nächsten Generation anvertrauen? Und was bewegt Übernehmer, wenn sie vor der Übernahme des elterlichen Betriebs stehen?

Autor: Clemens Westreicher

In den kommenden Ausgaben thematisiert Experte Clemens Westreicher exklusiv für Hotel & Touristik ausgewählte Fragen zur betrieblichen Nachfolge in Form von Tagebucheinträgen einer Nachfolgerin. Stimmungsvoll und sehr emotional, wie es sich in der Betriebsübergabe eben abspielt. Teil sieben: Papas Angst vor der Bedeutungslosigkeit

Liebes Tagebuch. Seit meiner Übernahme unseres Hotels sind nun gut eineinhalb Jahre vergangen. Mir macht die Führung unseres Hotels Spaß und die Zusammenarbeit mit meinem Bruder und meiner Schwägerin klappt mehrheitlich gut, um nicht zu sagen sehr gut. Und auch unser Steuerberater lobte die Entwicklung der Zahlen bei meiner ersten Bilanzbesprechung.

Lediglich Papa erscheint mir in letzter Zeit etwas komisch. Er „schleicht“ vermehrt durchs Hotel und fragt nach, wie das Geschäft so laufe und ob mir dies und jenes aufgefallen sei, z.B. dass der Weinkeller bald leer sei. Und überhaupt sei er der Meinung, ich hätte mir jetzt einen Urlaub verdient. Er könne sich während dieser Zeit gerne um alles kümmern.

Mehr als 30 Jahre erfolgreicher Gastgeber, und jetzt?

Heute nahm ich Papa bei Seite und fragte ihn spontan, wie es ihm denn so gehe? Ich hätte den Eindruck, dass er mit meiner Hotelführung nicht ganz zufrieden sei, so wie er in letzter Zeit im Hotel präsent sei. Als Papa antwortete, schien es mir, als hätte er auf diese Frage regelrecht gewartet. Papa erzählte von der Zeit, als er die kleine Pension vor mehr als 30 Jahren von seinen Eltern erbte und wie er mit Unterstützung von Mama diese kleine Pension zu dem machte, was unser Hotel heute ist. Selbst während der Übergabe sei er die treibende Kraft gewesen. Er habe sich um eine tragfähige Lösung bemühte und diese letztlich auch zustande gebracht. Jetzt komme es im so vor, dass er auf dem Abstellgleis stehe. Im Winter jeden Tag Skifahren und im Sommer einen Golfplatz nach dem anderen „abzuhaken“, sei für ihn nicht erfüllend: Nicht nach mehr als 30 Jahren als erfolgreicher Hotelier.

Das sagt der Nachfolgeberater

Die bisherigen Tagebucheintragungen (vgl. Teil 1 bis Teil 6) der Nachfolgerin lassen vermuten, dass der Nachfolgeprozess überwiegend auf sie als Nachfolgerin ausgerichtet war. Für sie wurde eine Zukunftsperspektive entwickelt und so gut wie möglich im Übergabevertrag „abgesichert“.

Die Frage nach der Zukunftsperspektive der Übergeber-Generation wurde hingegen – und dies ist leider fast schon typisch für viele Betriebsübergaben – nicht bzw. nicht ausreichend beantwortet.

Fehlt der Übergeber-Generation jedoch eine erfüllende und sinnstiftende Perspektive für die gewonnene Zeit nach der Übergabe ihres Lebenswerks, besteht die Gefahr, dass das sogenannte Loslassen schwerfällt bzw. nicht gelingt. Und es gibt eine Vielzahl von „Hintertüren“, durch welche die Übergeber-Generation dann wieder ins Hotel zurückkehrt. Dass damit hohes Konfliktpotenzial zwischen Übergeber und Übernehmer verbunden ist, muss nicht separat erwähnt werden.

Empfehlungen für Ihre Nachfolge

  • Verfolgen Sie Aufgaben und Interessen außerhalb des Hotels, auch schon während ihrer Zeit als aktive Gastgeber
  • Entwickeln Sie nicht nur für ihre Nachfolger Zukunftsperspektiven, sondern auch für sie selbst und klären sie zudem ihre neue Rolle im Hotel nach der Übergabe
  • Widerstehen Sie der Versuchung nach der Übergabe in die Rolle des Gastgebers zurückzukehren: Suchen Sie sich stattdessen Alternativen außerhalb des Hotels, die ihren Interessen entsprechen