Wie bringe ich das alles unter einen Hut?

Wie bringe ich das alles unter einen Hut?

Österreichs Gastronomie und Hotellerie stehen vor einer Übergabewelle. Was bewegt Übergeber, wenn sie ihr Lebenswerk der nächsten Generation anvertrauen? Und was bewegt Übernehmer, wenn sie vor der Übernahme des elterlichen Betriebs stehen?

Autor: Clemens Westreicher

In den kommenden Ausgaben thematisiert Experte Clemens Westreicher exklusiv für Hotel & Touristik ausgewählte Fragen zur betrieblichen Nachfolge in Form von Tagebucheinträgen einer Nachfolgerin. Stimmungsvoll und sehr emotional, wie es sich in der Betriebsübergabe eben abspielt. Teil neun: Eine Erfolgsgeschichte

Liebes Tagebuch. Heute erhielt ich einen Anruf von einem in der Branche bekannten Monatsmagazin. Die Chefredakteure meinten, sie seien auf die Übergabe unseres Hotels aufmerksam geworden und wollen mich zu einer Veranstaltung zur betrieblichen Nachfolge im Tourismus einladen. Ich solle über unsere Hotelübergabe erzählen, und zwar aus meiner Perspektive.

Jetzt bin ich ziemlich aufgeregt. Gleichzeitig freut es mich, dass die Übergabe unseres Hotels in der Branche wahrgenommen wird. Denn trotz erfolgreicher Übergabe des Hotels: Der Weg war steinig und ist es zum Teil auch heute noch.

Der Prozess ist so nötig wie der Inhalt

Was werde ich den Teilnehmenden der Veranstaltung erzählen? Was könnte die Senioren und was die Junioren interessieren?

Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr kristallisieren sich folgende Bereiche heraus, die für die Teilnehmenden der Veranstaltung von Interesse sein könnten.

  1. Aktive Vorbereitung: Ich schätze es sehr, dass Papa die Übergabe frühzeitig in Angriff genommen hat und uns nicht erst testamentarisch mitteilt, wie es aus seiner Sicht mit dem Hotel weitergehen soll. Vor dem Vortrag will ich ihn fragen, was ihn zu dieser Vorgehensweise bewogen hat.
  2. Möglichkeit zur Mitgestaltung: Papas Bereitschaft, sich Wünsche und Vorstellungen von Mama, meinen Geschwistern und mir anzuhören und Übergabevarianten gemeinsam zu erarbeiten, war sicherlich „matchentscheidend“. So fühlt sich jede und jeder einbezogen und findet sich jetzt im Übergabevertrag wieder. Ob ich erwähne, dass Papa hie und da ein Machtwort sprach, entscheide ich kurzfristig während des Vortrags.
  3. Änderungen im Hotel: Aus meiner Sicht ist das der Erfolgsfaktor schlechthin. Was wäre wohl passiert, hätten wir die Regelung nicht erarbeitet, wer was im Hotel macht bzw. nicht (mehr) macht und wer die Entscheidungen triff? Die Regelung erleichtert u.a. die Zusammenarbeit im Hotel zwischen meinen Eltern, meinem Bruder, meiner Schwägerin und mir. Sie hilft uns einerseits, die Rolle jedes Familienmitglieds im Hotel zu definieren und andererseits das Geschäftsmodell für das Hotel zu prüfen. Im Vortrag lasse ich ganz sicher nicht unerwähnt, dass die Entwicklung der Regelung für alle ein anspruchsvoller Prozess ist.
  4. Exzellente Berater: Die Idee meines Bruders, einen erfahrenen Unternehmensberater für unsere Übergabe zu engagieren, war letztlich goldrichtig. Dieser strukturiert unsere Fragen und dient nicht selten als „Blitzableiter“ zwischen den Familienmitgliedern u.a. dadurch, dass er uns die Dynamik in und von Familienunternehmen immer wieder bewusst macht. Zudem zeigt er dank seines Fachwissens und seiner Erfahrung bei Bedarf Lösungsansätze auf und stellt sicher, dass die Übergabe nicht ins Stocken gerät. Die im Familienkreis gemeinsam erarbeite Lösung konnte unser Notar und Rechtsanwalt sowie unser Steuerberater zudem erb-, familien-, gesellschafts- und steuerrechtliche optimieren.

Ich glaube, mit diesem roten Faden könnte ich einen ganzen Tag über die erfolgreichen und weniger erfolgreichen Momente unsere Übergabe erzählen. Leider habe ich von den Veranstaltern eine Zeitvorgabe von 15 Minuten erhalten.