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Clemens Westreicher über Betriebsnachfolge

Hotels sind nicht selten generationsübergreifende Lebenswerke. Institutionen, die es im Idealfall aus Gäste-, Mitarbeitenden- und Inhaber-Sicht zu erhalten gilt. Doch hat der Nachwuchs das Gastgeber-Gen und auch Interesse? Im Tophotel-Interview erläutert Experte Clemens Westreicher, Inhaber von Westreicher Consulting mit Sitz in Wien, welche Fragen zu klären sind.

Quelle: Freizeit Verlag GmbH, von Stefanie Hütz

Tophotel: Herr Westreicher, wann sollten sich Unternehmer mit ihrer Nachfolge beschäftigen?

Clemens Westreicher: Ich empfehle, frühzeitig mit der Übergabevorbereitung zu beginnen, um Antworten auf all die Fragen, die eine Hotelübergabe aufwirft, ohne Druck mit den Familienmitgliedern erarbeiten zu können. Aus Sicht der Senioren meine ich damit ein Alter zwischen 50 und 55 Jahren, auf Seite der Junioren zwischen 25 und 30.

Zuvor ist es ohne Zweifel hilfreich, die nächste Generation anfangs spielerisch, später strukturiert und geplant für die Mitarbeit beziehungsweise Führung des Hotels zu begeistern und sie schrittweise an die Verantwortung heranzuführen. Ebenso wichtig ist meiner Erfahrung nach aber auch die Vorbereitung der Senioren auf das Loslassen. Wie gestalten sie ihren Tagesablauf, wenn sie die Geschäftsführung abtreten?

Warum ist Ihres Erachtens externe Begleitung wichtig? Und wer wird im Idealfall in den Nachfolgeprozess einbezogen?

Da die einzelnen Familienmitglieder Betroffene und Beteiligte zugleich sind, empfiehlt sich das Hinzuziehen eines externen und unabhängigen Begleiters. Dieser koordiniert, moderiert, spricht unangenehme Themen an, übersetzt zwischen Senioren und Junioren, ist Blitzableiter, hinterfragt, zeigt alternative Lösungsansätze auf, erklärt Sachverhalte und verschriftlicht die jeweiligen Ergebnisse. Zudem stimmt er auf Wunsch der Familie Spezialfragen mit Experten ab, wie zum Beispiel mit dem Steuerberater und dem Notar.

Das Ausloten der Vorstellungen, wer zukünftig welche Rolle und Funktion im Hotel wahrnehmen will und ob überhaupt, ist die Basis für eine tragfähige Hotelübergabe. Durch Einbeziehung aller kann vermieden werden, dass bei einzelnen Familienmitgliedern lebenslange Unzufriedenheit, mitunter sogar „Stammesfehden“ über Generationen hinweg ausgelöst werden.

Wie gehen Sie Nachfolgeprojekte ganz konkret an?

In den häufigsten Fällen kontaktiert mich ein Mitglied der Hoteliersfamilie. Das kann ganz am Anfang einer Übergabe sein, mittendrin oder sogar noch kurz vor Ende. Obwohl jede Hoteliersfamilie einzigartig ist, lautet meine erste Empfehlung stets: ein gemeinsames Gespräch mit allen Familienmitgliedern und mir, wobei ich betone, dass ich alle gleichermaßen vertrete.

Der Fokus meiner Arbeit liegt dann darauf, herauszufinden, was jede und jeder will. Das mag jetzt banal klingen. Meine langjährige Erfahrung zeigt mir jedoch, dass sich viele damit schwertun, zu formulieren, was sie eigentlich von der Übergabe erwarten. Und dass es Mut erfordert, den eigenen Willen zunächst zu äußern und dann mit allen Familienmitgliedern zu diskutieren.

Erst wenn der abgestimmte Familienwillen im Hinblick auf die Hotelübergabe und die Zusammenarbeit der Generationen während der Übergangsphase auf dem Tisch liegt und ­darüber hinaus abgestimmt ist, was die weichenden Erben wann erhalten, sind weitere Experten ­gefragt, das heißt Steuerberater, Rechtsanwalt und Notar. ­Diese prüfen den Familienwillen kritisch durch die Brille ­ihrer Profession und konzipieren zum Beispiel optimale Steuerkonzepte, Pflichtteilsverzichts- und Gesellschafts­verträge.

Welche Voraussetzungen sollten zugunsten einer erfolgreichen Nachfolgeregelung gegeben sein?

Für mich steht an erster Stelle die Freude am Gastgebersein. Dann: ein attraktives Zukunftsbild und unternehmerische Gestaltungsfreiheit für die nachfolgende Generation. Das Zukunftsbild sollte weder durch un­realistische Unterhaltsforderungen der übergebenden Generation noch durch ebensolche Ausgleichszahlungen für die weichenden Erben getrübt sein.

Zudem ist eine gute Gesprächs- und Konfliktkultur in der Hoteliersfamilie förderlich. Wenn sich dann alle noch der Besonderheiten von Familienunternehmen bewusst sind, dass drei unterschiedliche Systeme mit jeweils eigenen Dynamiken wirken – Familie, Unternehmen und Eigentum –, kann fast nichts mehr schiefgehen.

Wo liegen die größten Hürden und wie lassen sie sich überspringen?

Schon allein die Thematisierung der Übergabe erweist sich erfahrungsgemäß als sehr große Hürde. Spätestens dann, wenn die nächste Generation dieses Thema anspricht und ins Unternehmen einsteigen möchte, sollte aktiv damit umgegangen werden. Ein gut vorbereiteter Einstiegs- und Entwicklungsplan für die nächste Generation unterstützt dabei, die ersten Monate nach der Übergabe zu meistern. Eine gemeinsame Klärung, wer was macht und wer was gegebenenfalls nicht mehr macht, hilft, die tägliche Zusammenarbeit der zwei, und manchmal sogar drei Generationen, erfolgreich zu gestalten.

Was, wenn mehrere Familienmitglieder oder -zweige sich für die Nachfolge interessieren?

Aktuell sehe ich eher die Herausforderung, dass sich keine beziehungsweise nur wenige Familienmitglieder für eine Hotelnachfolge interessieren. Die Gründe dafür sind vielfältig. Wenn aber potenziell mehrere bereitstehen, ist dies für die Senioren zunächst eine komfortable Ausgangslage.

Es kann sich in der gemeinsamen Entwicklung des Zukunftsbildes auch herausstellen, dass die Geschwister das Hotel tatsächlich gemeinsam übernehmen wollen. Dann gilt es tragfähige Prozesse der künftigen Entscheidungsfindung zu etablieren. Die Entscheidungsfindung durch mehrere Personen ist anspruchsvoll und muss in der Regel von Hoteliersfamilien erst gelernt werden. Denn bisher übernahm seit Generationen meist nur ein Kind das Hotel.

Und was ist, wenn innerfamiliär kein Nachfolgekandidat überzeugt oder zur Verfügung steht?

Wenn sich keine familieninterne Nachfolgerin beziehungsweise kein familieninterner Nachfolger finden lässt, ist der Verkauf eine Option. Alternativ dazu besteht die Möglichkeit, dass die Hotelliegenschaft im Eigentum der Familie verbleibt und diese die Betriebsführung an einen Dritten überträgt. Je nach Wunsch der Einflussnahme auf die Betriebsführung stehen hier unter anderem ein familienexterner Geschäftsführer, ein Managementvertrag oder die Verpachtung zur Wahl. Durch diese Lösungsansätze kann gegebenenfalls auch die Zeit überbrückt werden, bis ein Familienmitglied bereitsteht.

Was sollte zwingend vertraglich geregelt werden?

Meine Empfehlung lautet an alle Unternehmerfamilien, das Übergabekonzept zu verschriftlichen, es so lange zu bearbeiten, bis alle damit einverstanden sind, und dann rechtssicher zu machen. Mit rechtssicher meine ich einen Erbvertrag samt erforderlichen Nebenverträgen. Denn ein Testament kann jederzeit und ohne Wissen der Nachfolgenden sowie Erben angepasst werden.

Ein sehr sensibles und emotionales Thema ist die gerechte Vermögens- und Schuldenverteilung an die Erben. Damit Erben zum Zeitpunkt des Todesfalls des Übergebers nicht mit allfälligen Pflichtteilsergänzungs- und Pflichtteilsausgleichsansprüchen konfrontiert werden, rate ich, auch dieses Thema mittels sogenannten Pflichtteilsverzichten rechtssicher zu machen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Vorsorge für die Senioren. Häufig denken diese ausschließlich an ihre Nachkommen. In den Gesprächen mache ich die Junioren darauf aufmerksam, dass der Lebensstil, das warme Dach über dem Kopf und auch eine mögliche künftige Pflege für die Senioren zu sichern sind, falls nicht während der aktiven Zeit ausreichend vorgesorgt wurde.

Nicht immer steht eine Nachfolge nach Plan an, es können auch Unfälle, Krankheiten und Todesfälle dazwischenkommen. Worauf kommt es an?

Grundsätzlich gilt es den privaten und unternehmerischen Bereich zu regeln und in regelmäßigen Abständen beziehungsweise bei wichtigen Ereignissen wie Eheschließung (Güterstand), Geburt von Kindern, Scheidung, Unternehmensexpansion, Rechtsformänderung, Unternehmensübernahme und Erbschaft zu aktualisieren. Das Regeln reicht vom erstmaligen Erstellen eines Testaments über aktuelle Gesellschaftsverträge bis hin zur frühzeitigen Regelung der betrieblichen Nachfolge. Entscheidend ist, dass das Unternehmen auch bei Schicksalsschlägen entscheidungs- und handlungsfähig bleibt.

Ich empfehle hierzu den Abschluss einer sogenannten Vorsorgevollmacht. Damit können Senioren und Junioren selbstbestimmt Vorsorge treffen. Für die Bewältigung des unternehmerischen Tagesgeschäfts ist das Packen eines sogenannten Notfallkoffers ratsam. Damit ist ein Ordner mit allen relevanten Unterlagen des Unternehmens gemeint, unter anderem den Zugangsdaten zum Onlinebanking, Schlüsseln zum Bankschließfach, IT- und Tresor-Codes, einer Übersicht zu diversen Vollmachten, Zeichnungsberechtigungen und Kontaktdaten zu wichtigen Kunden und Lieferanten sowie Mitarbeitenden, Gesellschaftern und Gesellschaftsgremien, außerdem Gesellschaftsverträge und Jahresabschlüsse.

Sie stammen selbst aus einer Hoteliersfamilie, sind aber nicht Nachfolger geworden …

Diese Möglichkeit bestand in der Tat. Und ich führte das Hotel meiner Eltern auch einige Jahre. Mein jüngerer Bruder stieg dann nach seinen Lehr- und Wanderjahren in das Hotel ein und übernahm es. Das Hotel entwickelt sich sehr erfolgreich und feiert kommendes Jahr seinen 100. Geburtstag.

Das nebenstehende Interview erschien in Tophotel und kann hier heruntergeladen werden.

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