Tourismusregionen in Gefahr?

Nachfolgender Artikel erschien in Hotel & Touristik: Das Magazin für Hotellerie, Gastronomie und Tourismus, Ausgabe 06 2020

Tourismusregionen in Gefahr?

Der nationale und internationale Wettbewerb um zahlungskräftige Gäste zwingt die touristischen Unternehmer, laufend zu investieren. Bergbahnen, Hotels und Restaurants sowie Geschäfte müssen fortwährend an die Gästebedürfnisse angepasst werden, um zukunftsfit zu sein.

Der Tourismus bringt frisches Geld in eine Region. Die Gäste nächtigen in Hotelbetten, kaufen Souvenirs und regionale Spezialitäten beim Greißler ums Eck, essen und trinken in den Restaurants und Almhütten, benützen die Bergbahnen und die öffentlichen Verkehrsmittel, lernen Skifahren, benötigen allenfalls den Dorfarzt, lassen sich die Haare schneiden und besuchen Veranstaltungen des Laientheaters sowie das örtliche Museum. Einheimische und Saisoniers finden in unmittelbarer Nähe ihres Wohnortes einen Arbeitsplatz. Alles scheint in bester Ordnung.

Der nationale und internationale Wettbewerb um zahlungskräftige Gäste zwingt die touristischen Unternehmer, laufend zu investieren. Bergbahnen, Hotels und Restaurants sowie Geschäfte müssen fortwährend an die Gästebedürfnisse angepasst werden, um zukunftsfit zu sein.

Die weltweiten Maßnahmen zur Eindämmung des Covid-19-Virus und die sich abzeichnende Rezession lassen sinkende Erträge und steigende Bankenverbindlichkeiten – Stichwort Liquiditätssicherung mittels Covid-19-Überbrückungskrediten – nicht nur in den Bilanzen der touristischen Unternehmen erwarten. Der Handlungs- und Finanzierungsspielraum insbesondere im Hinblick auf Investitionen zum Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit wird in den nächsten Jahren dadurch eingeschränkt werden.

Regional wichtiger Impulsgeber fällt (vorübergehend) aus

Der Tourismus ist mit vielen Wirtschaftszweigen in der Region verflochten. Entscheiden sich zum Beispiel Hoteliers, Investitionen zu verschieben oder nicht mehr zu tätigen, führt dies in weiterer Folge zu fehlenden Aufträgen in der regionalen Bauwirtschaft und bei deren Professionisten, bei Freiberuflern, im Autohandel und nicht zuletzt auch bei Banken und Versicherungen.

Unterlassene Investitionen beinträchtigen vor allem aber die Wettbewerbsfähigkeit einer touristischen Region. Verliert eine Tourismusregion aus Sicht der Gäste an Attraktivität, kommen zunehmend weniger Gäste in dieser Region. Weniger Gäste bedeuten letztlich einen geringeren Bedarf an Mitarbeitenden, Lebensmitteln und Getränken, Energie sowie Vermarktungs-, Buchhaltungs- und Lohnverrechnungsdienstleistungen etc. In weiterer Folge gehen dem regionalen Handel, den Verleihern von Sportausrüstung, dem Kunsthandwerk, der Landwirtschaft, dem Kulturangebot, den Bergbahnen, dem öffentlichen Verkehr und den sonstigen Akteuren, wie zum Beispiel Skischulen und Bergführern, die Kundschaft verloren. Alle diese Leistungsanbieter werden durch die sinkende Gästenachfrage mittelfristig ebenfalls weniger Mitarbeitende benötigen und weniger Güter und Dienstleistungen von anderen Wirtschaftszweigen beziehen. Schließlich entgehen dem Bund, den Ländern und nicht zuletzt den Gemeinden sowie den Sozialversicherungen Steuern, Abgaben und Gebühren durch die geringere Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern sowie den sinkenden Beschäftigungsverhältnissen.

Die regionalwirtschaftliche Verflechtung zeigt, dass jeder abfließende Geldfluss aus den touristischen Unternehmen ein zufließender Geldfluss in einer anderen Branche ist. Ein ins Stocken geratener oder gar ausgetrockneter Geldfluss kann zu einem Dominoeffekt in der Region und in weiterer Folge zu Insolvenzen gesunder Unternehmen führen.

Existenzielle Bedrohung

Wie Analysen des Autors und auch anderer Experten zeigen, war der Investitionsspielraum vieler touristischen Unternehmen schon vor der Covid-19-Krise deutlich eingeschränkt. Dieser Spielraum wird sich in den kommenden Jahren weiter reduzieren, da der Schuldendienst, also Zinsen und Tilgung, bis zu 100% und mehr des freien Cashflows beanspruchen wird.

Verliert eine touristische Region ihre Attraktivität für Gäste, verliert sie längerfristig auch ihre Attraktivität als Wohn- und Lebensort für die lokale Bevölkerung. Abwanderung droht. Ein weiterer Teufelskreis beginnt.

Damit Österreichs touristische Regionen auch zukünftig wettbewerbsfähig und für Gäste und Bewohner gleichermaßen attraktiv bleiben, scheinen weitere Maßnahmen auf Unternehmensebene, Orts- und Regionsebene sowie Landes- und Bundesebene prüfenswert. Ziel der nachfolgenden Vorschläge ist es, wirkungsvoll die Covid-19-Krise auf Unternehmens- und Regionsebene abzufedern.

  • Entwicklung von Kriterien, wie die gewährten Covid-19-Überbrückungskredite in Eigenkapital umgewandelt werden können, um die wirtschaftliche Stabilität der touristischen Betriebe zu sichern bzw. zu stärken
  • Schaffung von Rahmenbedingungen für lokale Auffanggesellschaften für nicht mehr lebensfähige touristische Liegenschaften zwecks Aufrechterhaltung der strategischen Weiterentwicklung der Region und Sicherung der Entscheidungshoheit durch lokale Akteure
  • Überprüfung des bestehenden Unternehmens- und Regionsprofils sowie dessen allfällige Schärfung unter Berücksichtigung der betrieblichen Gesamtkapitalrentabilität und der regionalwirtschaftlichen Wertschöpfung
  • Entwicklung einer abgestimmten und zukunftsfähigen Tourismus-, Mobilitäts- und Regionalpolitik auf Regions-, Landes- und Bundesebene unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung und der Wirtschaft
  • Anpassung der Rahmenbedingungen für ein attraktives und existenzsicherndes Unternehmertum für bestehende und insbesondere für zukünftige Unternehmerfamilien

 

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