Wie bringe ich das alles unter einen Hut?

Wie bringe ich das alles unter einen Hut?

Österreichs Gastronomie und Hotellerie stehen vor einer Übergabewelle. Was bewegt potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger, wenn sie vor der Übernahme des elterlichen Betriebs stehen? Der nachfolgende Auszug aus einem Tagebuch thematisiert ausgewählte Fragen zur betrieblichen Nachfolge.

Liebes Tagebuch. In drei Wochen feiern wir Papas 60. Geburtstag. Die Feier findet im Hotelrestaurant statt. Mein Stiefbruder ist auch eingeladen. Mein Bruder und meine Schwester mutmaßen, dass er nur auf Papas Erbe aus sei. Ich freue mich, dass er kommt.

Gestern rief mich Papa an. Er meinte, ich solle ein paar Tage vor dem Fest nach Hause kommen, denn er wolle mit mir die Zukunft unseres Hotels und seine Nachfolge besprechen.

Selbstklärung: Will ich das?

Wie jede Nacht seit Papas Anruf liege ich auch diese Nacht wach. Ich versuche mir auszumalen, was Papa vorhat. Seitdem ich denken kann, heißt es: Mein Bruder übernimmt das Hotel. Er arbeitet nun seit mehreren Jahren als Küchenchef im Hotel, wenn auch mehr schlecht als recht. Diesen Sommer schließe ich meinen Master ab. Die Zusage für die Stelle in Berlin ist gestern gekommen. Yes! Ich komme meinem Ziel näher: Software-Entwicklerin. Und nun soll ich unser Drei-Sterne-Hotel zu Hause übernehmen? Was soll’s? Papa hat mir beigebracht: Chancen soll man prüfen! Wie aber kann ich herausfinden, ob ich das überhaupt will? Welche Erwartungen hat Papa an mich? Was wird Mama dazu sagen? Und vor allem: Wieso will mein Bruder das Hotel nicht mehr übernehmen? Wäre es nicht besser, wenn Papa die Nachfolge mit uns allen gemeinsam bespricht?

Zusammenarbeit: Wer hat das letzte Wort?

Bei der Vorstellung, dass ich unser Hotel übernehmen soll, schwirren mir zig Fragen durch den Kopf. Was wird wohl meine beste Freundin dazu sagen? Als was würde ich in den Betrieb einsteigen, als Chefin? Und welche Aufgaben nehme ich wahr? Ist mein Know-how überhaupt willkommen? Wer macht was? Was kann ich entscheiden? Und wer hat das letzte Wort? Seit mein Bruder im Hotel mitarbeitet, ist das alles nicht mehr so klar. Häufig gibt es schon wegen den kleinsten Sachen Zoff. Was müssen wir tun, dass bei Konflikten der Hotelbetrieb nicht leidet? Hoffentlich schaffen wir es, dass wir weiterhin Weihnachten in der Familie feiern. Apropos Familie: Wie finde ich mein Herzblatt, wenn ich den ganzen Tag arbeite? Werde ich eine Familie haben und den Spagat zwischen Familie und Hotel schaffen? Und wo bleibe ich und meine Hobbies?

Letzthin belauschte ich zwei unserer Gäste, die sich über die nicht mehr so zeitgemäßen Hotelzimmer unterhielten. Ich frag’ mich oft, weshalb die Gäste eigentlich zu uns kommen. Was wird es wohl kosten, das Hotel zu renovieren? Können wir uns das leisten?

Übernahme: Ist die Aufteilung gerecht?

Traue ich mir zu, gleich als Geschäftsführerin einzusteigen? Neulich hörte ich, dass es empfehlenswert sei, wenn Junioren die ersten Erfahrungen außerhalb des eigenen Betriebs sammeln. Mal schauen, was Papa dazu sagt. Wie lange bleibt Papa noch als Geschäftsführer? Will mir Papa schon Anteile übergeben? Aus meiner Sicht kann das ruhig noch ein bisschen dauern. Papa sagt immer, dass er seine vier Kinder gleich gerne hat und er eine gerechte Nachfolgeregelung anstrebt. Trotzdem hoffe ich, dass er das Hotel nicht zu gleichen Teilen auf uns vier Kinder aufteilt. Denn ich will mir die Situation erst gar nicht vorstellen, wenn zwei für eine Gewinnausschüttung und zwei für Investitionen stimmen. Wie ist Mama abgesichert? Welche Erwartungen hat sie? Welche erb-, ehe-, gesellschafts- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten? Ich glaube, irgendwann kommen wir nicht mehr umher, Experten beizuziehen.

Eine weitere schlaflose Nacht geht zu Ende. Noch mehr Fragen sind aufgetaucht! Dennoch freue ich mich auf das Gespräch. Ich bin froh, dass Papa in dieser Sache aktiv wird.

DAS SAGT DER NACHFOLGEBERATER

Die potenzielle Nachfolgerin vertraut ihrem Tagebuch wesentliche Fragen der betrieblichen Übergabe an. Sie bereitet sich so auf das Gespräch mit Ihrem Vater vor. Tragfähige Lösungsansätze können meist nur gemeinsam mit allen Familienmitgliedern in einem längerfristigen Prozess erarbeitet werden. Zu empfehlen ist, dass sich die Familie die drei Teilsysteme von Unternehmerfamilien, d.h. Familie, Unternehmen und Eigentum, und deren unterschiedlichen Spielregeln bewusst macht. Damit legt sie den Grundstein, Spannungen zwischen den drei Teilsystemen auszuhalten und deren Anforderungen auszubalancieren. Dies ist ein erster entscheidender Schritt, um alles unter einen Hut zu bringen.

Leitlinien für erfolgreiche Betriebsübergaben

  • Sorgen Sie dafür, dass in Ihrer Familie die drei Subsysteme von Unternehmerfamilien, d.h. Familie, Unternehmen und Eigentum, und deren Spielregeln bewusst sind.
  • Stellen Sie sicher, dass die Familienmitglieder wissen, was sie wollen und dies auch kommunizieren.
  • Führen Sie die Nachfolgenden frühzeitig an Führungs- und / oder Eigentumsverantwortung heran.
  • Betreiben Sie Konfliktprävention: Entwickeln Sie Leitlinien lange bevor Konflikte auftreten, z.B. zur Entnahmepolitik.
  • Pflegen Sie die Familienbande: Organisieren Sie zumindest einmal pro Jahr ein verlängertes Wochenende für die Großfamilie, also samt Ehe- / Lebenspartner und allen Nachkommen.