Wie bringe ich das alles unter einen Hut?

Ein gemeinsames Zukunftsbild malen.

Österreichs Gastronomie und Hotellerie stehen vor einer Übergabewelle. Was bewegt Übergeber, wenn sie ihr Lebenswerk der nächsten Generation anvertrauen? Und was bewegt Übernehmer, wenn sie vor der Übernahme des elterlichen Betriebs stehen?

In den kommenden Ausgaben thematisiert Clemens Westreicher exklusiv für Hotel & Touristik ausgewählte Fragen zur betrieblichen Nachfolge in Form von Tagebucheinträgen einer Nachfolgerin. Teil 1: Ein gemeinsames Zukunftsbild malen.

Liebes Tagebuch. Vor einer Woche feierten wir Papas 60. Geburtstag. In seiner Ansprache zeichnete er die Entwicklung unserer kleinen Frühstückspension zum stattlichen Drei-Sterne-Hotel nach. Ich freute mich, dass Papa in diesem Rahmen Mama für ihre Unterstützung an seiner Seite besonders dankte. Nebenbei erwähnte er, dass es nun bald an der Zeit sei, der nächsten Generation Platz zu machen.

Die Überraschung: Der designierte Nachfolger will nicht.

Ich bewundere Papa, wie geschickt er Klippen sicher umschifft. Denn seit unserem Gespräch kurz vor der Geburtstagsfeier hat sich einiges geändert. Mein Bruder, von dem es seit je her heißt, dass er das Hotel übernehmen wird und zudem als Küchenchef seit mehreren Jahren in unserem Hotel arbeitet, teilte meinen Eltern, meiner Schwester, meinem Stiefbruder und mir mit, dass er das Hotel nicht übernehmen will. Unabhängig davon, gedenke er als Küchenchef und seine Frau als Serviceleiterin weiterhin im Hotel zu arbeiten. Nun verstehe ich Papa besser, weshalb er mit mir über seine Nachfolge sprechen wollte. Und ich bin froh, dass ich mich mit Dir, liebes Tagebuch, darauf vorbereiten konnte (siehe Hotel & Touristik, Ausgabe 09/2017 und www.westreicher-consulting.at/aktuelles/wie-bringe-ich-das-alles-unter-einen-hut/).

Die innere Orientierung: Wer tickt wie?

Auch wenn das Gespräch kurz vor Papas 60. Geburtstag hoch emotional war, zeigte es uns allen, wie wichtig und zugleich wie schwierig es ist, über die Nachfolge offen zu sprechen. Für mich ist eines klargeworden: Bezüglich unseres Hotels „ticken“ wir alle anders. Papa erbte die Frühstückspension von seinem Vater. Jeden Euro, den Papa und Mama verdienten, steckten sie in den Betrieb. Zudem ermöglichten sie uns Kindern eine gute Ausbildung. Ich glaube, er und Mama haben selten bis gar nie Geld für sich verwendet. Ganz anders mein Stiefbruder: Für ihn zählt die Rendite. Diese vergleicht er mit den Renditen anderer Investitionen. Immer wieder sagt er zu Papa, er solle das Hotel doch verkaufen, da es unrentabel sei. Er hat leicht reden, lebt er doch in München in einer schönen Eigentumswohnung und hat einen gut bezahlten Job. Mein Bruder hingegen will im Wesentlichen eine sichere Anstellung für sich und seine Frau, damit sie ihr Leben finanzieren können: ihr Haus, die beiden Autos und die Ausbildung ihrer Kinder. Meine Schwester, die angehende Lehrerin, lebt seit langem in der Stadt und hat wenig Bezug zum Hotel und zu unserem Dorf. Das sagt sie auch ganz offen. Dennoch stellt sie sich vor, dass sie, aus „emotionalen Gründen“, wie sie sagt, Anteile am Hotel erbt. Im Betrieb mitarbeiten will sie hingegen nicht. Und ich? Für mich kommt dies alles überraschend und unterwartet. Ich schloss soeben meinen Master ab. Der Arbeitsvertrag als Software-Entwicklerin in Berlin liegt unterschriftsreif in meiner Studentenwohnung. Sollte ich mich aber tatsächlich entscheiden, unser Hotel zu führen, ist mir eines klar: Ich will unser Hotel zu einem der führenden Häuser in der Region machen!

Führung des Hotels: Alleine oder gemeinsam?

Wird mir das gelingen? Das hängt sicher vom Wettbewerb ab. Aber auch, ob ich alleine entscheiden kann oder ob ich für jede Entscheidung die Zustimmung meiner Eltern und Geschwister benötige. Wie wird Papa das wohl lösen? Ich beneide ihn nicht um diese Entscheidung. Ich glaube, es beschäftigt ihn schon länger, dass er es nicht allen recht machen kann. Gleichzeitig hoffe ich, dass Papa unsere Erwartungen und Fähigkeiten berücksichtigt. Wird es uns gelingen, in den kommenden Familiengesprächen ein besseres Gesprächsklima zu schaffen? Dazu mehr in der nächsten Ausgabe. 

Einschätzung des Nachfolgeberaters

Der Familie der Tagebuchschreiberin geht es wie vielen Familien im österreichischen Tourismus. Bis 2023 ist ca. jeder vierte Betrieb gefordert, die Nachfolge zu regeln. In der Hotellerie ist es ca. jeder dritte Betrieb. Der Anteil der Betriebsübergaben innerhalb der Familie sinkt generell und dürfte sich bis 2030 bei ca. 51% einpendeln.

Den österreichischen Tourismus zeichnet zudem aus, dass Kinder im elterlichen Betrieb mitarbeiten und in führenden Positionen tätig sind. Das Sagen hingegen hat das Familienoberhaupt. Die Organisations- und Entscheidungsstrukturen sind stark auf das Familienoberhaupt, also auf eine Person ausgerichtet und werden von ihr geprägt. Vorteil ist, dass Entscheidungen schnell getroffen werden und es klar ist, wer die Verantwortung trägt.

Für ihre Nachfolge wünschen sich die Familienoberhäupter nicht selten die Wiederholung dieses Modells. Ist die Wiederholung hingegen nicht bzw. nur schwer möglich, ist die Unternehmerfamilie besonders gefordert (z.B. mehrere Kinder sind interessiert und fähig, die Nachfolge anzutreten und / oder die Hotelimmobilie wiegt vermögensmäßig so schwer, dass die Auszahlung der weichenden Erben die Unternehmensexistenz gefährden würde). In diesem Fall gilt es, Lösungen zu entwickeln und die Organisations- und Entscheidungsstrukturen vom Ein-Personenprinzip hin zum Mehrpersonen-Prinzip zu gestalten. Idealerweise geschieht dieser Veränderungsprozess im Konsens aller Beteiligter. Zudem geschieht die Weiterentwicklung der Strukturen nicht „von heute auf morgen“, sondern erfordert nicht selten mehrere Jahre.

Zu erwähnen ist, dass keines der Modelle besser oder schlechter ist. Je nach Zielmodell (Zukunftsbild) gilt es, die Handlungs- und die Entscheidungsfähigkeit einerseits und die Existenzfähigkeit des Unternehmens andererseits in der nächsten Generation sicherzustellen.

Nutzbare Erfahrungswerte für Ihre persönliche Nachfolgelösung

  • Stellen Sie sicher, dass sich alle Familienmitglieder bewusst sind, wie sie „ticken“.
  • Laden Sie alle Familienmitglieder ein, ihr persönliches Zukunftsbild für das Unternehmen zu malen und zu kommunizieren, insbesondere wer es führen und besitzen soll (alleine, gemeinsam). Vergessen Sie nicht, ihre persönliche Vorstellung zu kommunizieren.
  • Reden sie über Lösungen und weniger über Probleme.