Familienunternehmen und ihre Stakeholder

Familienunternehmen und ihre Stakeholder

Die beiden Autoren Prof. (FH) Dr. Stefan Märk und Prof. (FH) Dr. Dr. Mario Situm, MBA, dieses für Unternehmerfamilien empfehlenswerten Buchs luden Herrn Westreicher ein, eine Gedankennotiz aus der Praktikerperspektive beizutragen. Das Buch ist online bestellbar. Die Gedankennotiz finden Sie nachfolgend.

„Der Vater litt unheimlich unter dieser Situation“

Siehe auch Kapitel 6.8.2. auf Seite 164 ff.

Bei einem bislang erfolgreichen Familienunternehmen dreht aufgrund des Geschäftsmodells und des rauen Wirtschaftsklimas das Ergebnis ins Negative. Mit Unterstützung einer Unternehmensberatung soll das Unternehmen wieder fit gemacht werden. Dabei zeigt sich, dass eine der Ursachen in der Konstellation der betrieblichen Nachfolge begründet ist.

Das über 200 Jahre alte Familienunternehmen wird anfänglich von zwei Brüdern geführt. Ihr Vater, der das Familienunternehmen mit ca. 400 Mitarbeitenden zuletzt leitete, ist mit 75 Jahren weiterhin in der Geschäftsleitung vertreten. Das Unternehmen ist zu 100% in Familienbesitz. Der Vater, die Mutter und die beiden Söhne verfügen über jeweils 25% der Anteile. Wie es scheint, wollte der Vater seine Nachfolge gerecht lösen.

Der Wunsch nach Gerechtigkeit ist kennzeichnend für Familien. Jedes Kind soll gleich behandelt werden, soll gleich viel erhalten. Aus unternehmerischer Sicht erscheint der familiäre Wunsch nach Gleichbehandlung hingegen systemfremd. Denn in Unternehmen ist grundsätzlich der Leistungsgedanke vorherrschend. Es geht u.a. um Fähigkeiten, Einsatzbereitschaft und Freude an der Aufgabe. Familien, die Inhaber von Unternehmen sind und diese auch führen, sehen sich somit mit mehreren Widersprüchen konfrontiert. Diese Widersprüche sind unauflösbar. Was für das Unternehmen gut ist, muss nicht zwingend auch für die Familie gut sein.

Nach Meinung des Autors triff den Übergebenden die unternehmerische Letztverantwortung. Er muss entscheiden, wer von den Kindern über das Potenzial verfügt, das Familienunternehmen erfolgreich weiterzuführen. Sollte er hingegen keines der Kinder für die Unternehmensführung als fähig erachten, gilt es, alternative Lösungsansätze zu finden. Es ist keine Seltenheit, dass Unternehmer sich vor dieser strategisch wichtigen Entscheidung „drücken“, d.h. vor der Wahl ihres familieninternen oder familienexternen Nachfolgers. Insgeheim hoffen sie, damit Konflikte innerhalb der Familie zu vermeiden. Nicht selten werden aus diesem Grund auch die Gesellschaftsanteile zu gleichen Teilen auf die Familienmitglieder übertragen. Im schlimmsten Fall führt dies bei zustimmungspflichtigen Geschäften zu Pattsituationen und das Unternehmen wird handlungsunfähig, letztlich in seiner Existenz gefährdet.

Ebenso trifft die Übernehmenden eine Mitverantwortung für eine gelungene Betriebsübernahme. Sie sind gefordert herauszufinden, was sie sich für ein Berufs- und Privatleben vorstellen. Soll das Unternehmen auch zukünftig als Familienunternehmen geführt werden, treten sie idealerweise die Nachfolge aus freiem Willen an und weniger aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus und / oder mangels lukrativen Alternativen. Für den immer häufiger werdenden Fall, dass sich die nächste Generation für einen Weg ausserhalb des Familienunternehmens entscheidet, gilt es, dies frühzeitig und klar zu kommunizieren. Dies wiederum ist der Auftrag an den Übergebenden, Alternativen auszuloten.

Die Erfolgswahrscheinlichkeit für eine nachhaltig tragfähige betriebliche Nachfolge steigt mit ihrer frühzeitigen und strukturierten Vorbereitung unter Einbezug aller Betroffenen. Ein vorrangiges Ziel ist es, den Willen sowohl der Übergebenden als auch der Übernehmenden und der Weichenden „herauszuschälen“. Diese Willensfindung ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Ist der Wille aller weitestgehend bestimmt, kommuniziert und akzeptiert, erscheinen alle weiteren Schritte relativ einfach, wie z.B. die steuerrechtliche Optimierung und die Vorkehrungen für eine vorweggenommene Erbfolge.

Allen Beteiligten des gegenständlichen Familienunternehmens, d.h. Vater, Mutter, Söhne, Mitarbeitenden und Kunden wäre aller Wahrscheinlichkeit nach viel Leid erspart geblieben, hätte der Vater zum Zeitpunkt seiner Übergabe die Auseinandersetzung nicht gescheut, den fähigsten Unternehmensnachfolger zu bestimmen. Vermutlich hätte ein professionell begleiteter Nachfolgeprozess zu einer ähnlichen Lösung geführt, wie sie letztlich erfolgte, d.h. die Übernahme der Führung und der Anteile durch einen Sohn und einen für das Unternehmen leistbaren und angemessenen Ausgleich für den weichenden Sohn. Selbst dem Wunsch der Mutter, dass sich innerhalb der Familie alle lieb haben, wäre damit vielleicht früher und besser entsprochen worden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine betriebliche Nachfolge in Familienunternehmen an alle hohe Anforderungen stellt. Mit dem ständig wachsenden Wissen und dessen Anwendung um die unterschiedlichen Logiken der drei System von Familienunternehmen, nämlich Familie, Unternehmen und Eigentum, werden vermeintliche Gegner zu Partner in der Suche nach konstruktiven Lösungsansätzen. Dies festigt den Familienzusammenhalt und sichert ein existenzfähiges Familienunternehmen.